Unter dem Titel »Mietendeckel – Wer deckelt hier wen?« hat das Initiativenforum zum Gespräch und Austausch geladen. Es sollte insbesondere um juristische Aspekte und deren Konsequenzen für Mieter*innen gehen. Auf dem Podium beteiligten sich der Mietrechtsanwalt Henrik Solf vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), der Mietrechtler Rainer Tietzsch, Vorsitzender des Vorstands des Berliner Mietervereins, sowie Andrej Holm, Stadt- und Regionalsoziologe an der HU Berlin und zur Moderation Rouzbeh Taheri, Aktivist bei der initiative Mietenvolksentscheid und Deutsche Wohnen & Co enteignen.
In den letzten Wochen hat der Vorschlag für einen Mietendeckel in Berlin für viel Wirbel gesorgt. Während die Mieter*innen sich darüber freuten, hat die Immobilienlobby und die mit ihr verbundenen Parteien eine hysterische Kampagne gestartet, um den Mietendeckel zu verhindern. Auch Teile der Koalitionsparteien scheinen Angst vor der eigenen Courage zu bekommen.
Der vorgestellte Referentenentwurf kommt jetzt ins Gesetzgebungsverfahren und Anhörungen laufen bereits. Mit der Veranstaltung wollten wir für Aktive in den Mieter*inneninitiative aufklären, wie der vorliegende Gesetzesentwurf einzuschätzen ist.
Noch viel zu tun für den Gesetzgeber
Wenn sich ein Fazit von unserer Info- und Diskussionsveranstaltung zum Mietendeckel ziehen lässt, dann vielleicht so:
- Natürlich ist die Idee, temporär die Mieten einzufrieren zu begrüßen, denn gegen die Dynamik der Preissteigerung (und der daraus folgenden Verdrängung und Segregation) helfen bisherige Gesetze zu wenig.
- Die Zuständigkeit für wohnpolitische Rahmensetzung durch den Gesetzgeber auf Landesebene ist durch einen (wie auch immer gearteten) Mietendeckel allerdings längst nicht ausgereizt. Da können noch viele andere Regelungen gefunden werden und es sollte nicht versucht werden, alle Wünsche in diesen einen Gesetzesentwurf zu packen. Lieber ein schlankes und rechtssicherses Mietenmoratorium beschließen und später weitere passgenaue Gesetze machen.
- Die Zuständigkeit zur Regelung des Wohnungswesens durch den Gesetzgeber auf Landesebene bezieht sich immer auf die Wohnung und nicht auf den jeweiligen Mietvertrag. Ein Mietendeckel muss darum quasi als eine Eigenschaft der Wohnung angesehen werden und kann auch nur als solche vom Land eingeführt werden. Das Gesetz muss sich also aufs Objekt „Wohnung“ beziehen und nicht auf das Subjekt „Mieter*in“.
- Eine sozialpolitische Komponente ins Gesetz zu bringen (soll heißen, dass insbesondere Menschen mit wenig Einkommen vom Deckel und möglichen Absenkungen der Miete profitieren), ist deshalb generell schwierig und sollte sie Bestandteil des Gesetzes werden, könnte sie dazu führen, dass das ganze Gesetz gekippt wird. Der Mieterverein sieht eine Möglichkeit für eine soziale Differenzierung darin gegeben, dass das Bezirksamt bei der Umsetzung der Absenkungen, generell alle Mieten absenkt, es sei denn, ein Haushalt hat zu viel Einkommen. Aber auch diesem Vorschlag steht entgegen, dass die Mieter*innenbewegung alle Regelungen ablehnt, die dazu führen, dass sich Mieter*innen weiter nackig machen müssen. Einig sind sich alle, dass eine mögliche Grenze in jedem Fall auf die Bruttowarm-Miete berechnet werden muss und nicht auf die Nettokalt-Miete, dies auch um zu verhindern, dass ein Anreiz entsteht, die Miet-Nebenkosten immer weiter zu steigern.
Darum könnte ein Verkoppeln mit dem WBS-Verfahren besser sein, d.h. dass nur Menschen, die einen WBS haben (bzw. WBS-berechtig sind und auch einen beantragen) ein Anrecht auf Absenkung der Miete haben. Generell wird aber womöglich die Wichtigkeit einer solchen sozialen Differenzierung überschätzt. Es wären auch ohne eine soziale Komponente nur ca. 7% der Menschen, die Mietminderungen vornehmen lassen könnten, Menschen, in Haushalten mit überdurchschnittlichem Einkommen. D.h. Zu Gunsten der Rechtssicherheit – also dafür, dass das Gesetz auch gegen Klagen vor dem Verfassungsgericht bestand hat – wäre es wohl angeraten, den Wunsch nach sozialpolitischer Regulierung fallen zu lassen. - Ganz sicher wird erst vor dem Verfassungsgericht höchstrichterlich entschieden werden, ob die Festsetzung eines Preisniveaus für Mieten, also das Erlassen eines „Preisgesetzes“ Teil der gesetzgeberischen Kompetenz auf Landesebene ist. So lange das nicht entschieden ist, kann niemandem geraten werden, einen Antrag auf Mietsenkung zu stellen, denn womöglich muss bei erfolgreicher Durchsetzung einer Mietsenkung, alles wieder zurückgezahlt werden.
- Die im Gesetzesentwurf enthaltenen Regelungen zu möglichen Erhöhungen des Mietendeckels wegen Modernisierungen, die an einer Wohnung in den letzten 15 Jahren stattgefunden haben, wird generell abgelehnt. Zum Einen, weil diese Modernisierungen in aller Regel in den jetzt gezahlten Mieten durch bisherige Umlageverfahren bereits enthalten sind, zum Anderen, weil das bisher vorgeschlagene Berechnungsverfahren nicht taugt und außerdem, weil die Frist von 15 Jahren völlig willkürlich erscheint. Wenn zurückliegende Modernisierungen sich auf den Mietendeckel auswirken sollen, dann im Sinne von Wohnwertverbesserungen, denen feste Preise zugeteilt werden. Also z.B: Ist die Wohnung gedämmt, darf der Mietendeckel um 0,5 €/qm erhöht werden.
- Die Härtefallregelung für Vermieter*innen gibt Anlass zur Sorge zu einem Schlupfloch zu werden, denn es scheint kaum möglich zu verhindern, dass sich Eigentümer*innen geschickt arm rechnen. Zudem ist unklar, welche Konsequenzen es in einem solchen Fall für die Mieter*innen hätte.
Daten der Veranstaltung: 10.9.2019, 18 Uhr, Seminarraum 1, ND-Gebäude am Franz-Mehringplatz 1, 10243 Berlin-Friedrichshain
Auch Andrej Holm hat auf seinem Gentrification-Blog einen Text nach der Veranstaltung veröffentlicht.